Hering, Erbsensuppe oder Steinbutt?
Donnerstag, 05. März 2009 um 11:24 Uhr
Helmut Hetzel

Adieu Michelin
Hering, Erbsensuppe oder Steinbutt? - Essen in Holland
Michelin-Sterne verlieren ihren Glanz in den Niederlanden
Erstes Restaurant sagt: Adieu Michelin
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. Nicole serviert die Jakobsmuscheln. Vorspeise, erster Gang. Die Meeresfrüchte, die sie bringt, sind total gar - well done, würden die Briten beim Steak sagen, aber für Jakobsmuscheln ist das tödlich. Sie werden dann zäh. Kaugummi auf dem Teller ist der Ergebnis. So wurden sie serviert in einem der angeblich besten Restaurants in den Niederlanden, wo auch Kronprinz Willem-Alexander und Prinzessin Maxima ab und zu tafeln. Das Restaurant ,,lud‘‘ ein. Denn es ist ,,Restaurantweek‘‘ in den Niederlanden. In dieser ,,Restaurantwoche‘‘ kann man in hunderten von Esstempeln zwischen Groningen und Maastricht, Den Haag und Arnheim zu ganz besonders attraktiven Preisen speisen. So der PR-Slogan. Ein Drei-Gänge-Menü wird da für 20 Euro pro Person angeboten. Aber die Sache hat einen Haken. Erstens kann man das Menü nicht selbst wählen. Aber das ist nicht so schlimm, wenn die Köche in der Küche mit frischen Zutaten etwas Leckeres auf den Teller zaubern könnten. Zweitens aber, und das ist sehr verwerflich, versuchen manche Restaurants in den Niederlanden ihre Kunden doch noch über den Tisch zu ziehen, so dass sie letzten Endes doch noch auf ihre Kosten kommen. Da wird beispielsweise die Weinkarte angepasst. Es ist kein Riesling oder Spätburgunder unter 30 Euro je Flasche mehr erhältlich. Da wird der Dessert-Wein, der eigentlich zum 20-Euro-Aktionsmemü gehört, einfach nochmal mit auf die Rechnung gesetzt. Der Gast merkt es ja eh nicht, denken so manche Gastronomen. Da wird ein Fisch-Salat serviert, der nur aus Grünzeug besteht und in dem man den Fisch mit der Lupe suchen muss. Keine Spur vom klassischen holländischen Hering. Die Matjes sind wohl ausgegangen. Die Ravioli sind kalt. Die Ente hat so viele Flugstunden hinter sich, dass sie wohl altersbedingt in der Küche eines Haager Nobelrestaurants abgestürzt ist und ihr zähes Fleisch dort als letzte Geste dem Koch gratis zur Verfügung stellte.
Soweit der Gram, der den Gourmet ereilen kann, wenn er es wagt, während der ,,Restaurantweek‘‘ in den Niederlanden essen zu gehen, in einem Land, wo die meisten Restaurants sowieso mit Preisen jonglieren, die dem Gast beim ersten Blick in die Speisekarte schon den Appetit verderben.
Aber es gibt Lichtblicke. Einige Gastronomen entdecken ihre Kunden wieder und wenden sich von ihrer Strategie, diese nur zum Abzocken zu bedienen und zu bewirten, endlich ab. ,,Wir wollen wieder Gastgeber sein und für unsere Gäste einfach gut kochen. Es muss bezahlbar bleiben,‘‘ sagt Suzan Kagenaar-Stevens. Sie und ihr Mann Michèl haben jetzt ein Zeichen gesetzt. Die beiden haben den Michelin-Stern, der ihrem Restaurant ,,In De´n Dillegard‘‘ im Jahr 2004 verliehen wurde, mit sofortiger Wirkung zurückgegeben. ,,Wir sind es leid, uns dem Druck der Michelin-Tester anpassen zu müssen. Unser Image litt unter dem Michelin-Stern. Unser Restaurant hatte den Ruf ,,teuer, schick und formell‘‘ zu sein, klagt die Besitzerin. ,,Der Druck war einfach zu hoch. Wir hatten keine Freude mehr an unserem Beruf.‘‘ Daher muss der Michelin-Stern weg. ,,Wir wollen es in unserem Restaurant wieder echt gemütlich haben ohne all diese vorgeschriebenen Etiketten und Formalismen, die Michelin verlangt. Das gute Essen und die Geselligkeit sollen wieder der Mittelpunkt sein für unsere Gäste, aber auch für uns.‘‘ Auch die Weine sollen für die Gäste von Suzan in ihrem Restaurant wieder bezahlbar werden. Das ist höchste Zeit. Denn in vielen niederländischen Restaurants werden auf Wein Gewinnmargen von 1000 % - in Worten: ein Tausend Prozent gehandhabt.
Am 15. März eröffnet das Restaurant ,,In De´n Dillegaard‘‘ neu - ohne Michelin-Stern und unter neuem Namen: ,,Essen bei Michél.‘‘ Es ist zu hoffen, dass das Beispiel in den Niederlanden - und vielleicht auch anderswo - Schule macht und dass die Abzockerei, die in vielen niederländischen Restaurants üblich ist, endlich aufhört, so dass die Balance eines realistischen Preis-Qualitäts-Verhältnisses sich wieder einpendeln kann. Dann dürften sich die immer leerer werdenden Restaurants zwischen Groningen und Maastricht auch wieder füllen.
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Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, 15. April 2009 um 00:33 Uhr
Riesling & Co - Deutscher Wein in Holland begehrt
Mittwoch, 04. März 2009 um 10:49 Uhr
Helmut Hetzel
Riesling, Silvaner & Co
Deutscher Wein in Holland begehrt wie nie zuvor - Riesling und Silvaner in der niederländischen Spitzengastronomie
Vor allem die Gewächse des fränkischen Weingutes Hans Wirsching begeistern Hollands Starköche und immer mehr Weintrinker in den Niederlanden
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. Cees Helder prüft genau: Farbe, Bukett, Geschmack. Der Mann, der als erster Koch der Niederlande in seinem Restaurant ,,Parkheuvel'' in Rotterdam mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde, ist begeistert.
Cees lässt gerade einen Rotwein namens Rondos, der aus dem Keller des fränkischen Weingutes Wirsching stammt, auf der Zunge zergehen. Er gerät regelrecht ins Schwärmen. ,,Den ziehe ich gegenüber jedem Fleurie vor,'' sagt der Starkoch und verspricht: ,,Dazu werde ich ein eigenes Gericht konzipieren.''
Jonnie de Boer, mit Cees Helder die gemeinsame Nummer eins in der niederländischen Hierarchie der Starköche und Chef des Restaurants De Librije in Zwolle ( ebenfalls drei Michelinsterne) wird ebenfalls ganz lyrisch, als er den Iphöfer Kronsberg, 2001, Scheurebe, Spätlese, trocken, verkostet. Seiner ihm gegenüber sitzenden Frau Therese, sie ist Sommelier, sagt er immer wieder: ,,Den müssen wir kaufen, der kommt bei uns auf die Karte. Was für ein Geschamckserlebnis.'' Die genannte Scheurebe sorgt bei ihm offenbar ebenfalls für einen ,,olfaktorischen Orgasmus,'' einen geschmeckten Höhepunkt, so wie ihn der Weintester der Zeitschrift Stern Arno Luik verspürte, als er dieses edle Getränk des fränkischen Weingutes Wirsching erstmals verkostete. Der niederländische Spitzenkoch Jonnie de Boer zu dessen Stammpublikum die Ex-Fussballstars Johan Cruyff, Frank Rijkhaard und Marco van Basten gehören, weiß nun auch, was ein olfaktorischer Orgasmus im Mund ist. Er hat ihn beim Trinken dieser Scheurebe erlebt.

Rassige Rieslinge und herzhafte Silvaner vom Weingut Wirsching
Stan Roelofsma ist von den Weinen des Weinguts Wirsching ,,hin und weg,'' wie er sagt. Der ehemalige Sommelier des Restaurants Calla's in Den Haag (ein Stern),entdeckte sie jetzt . Er setzte sie sofort auf die Weinkarte des besonders beiDiplomaten und Politikern beliebten aber in der Preisgestaltung sehr teuren Haager Restaurants.
Der nächste Schritt folge. Roelofsma überzeugte den Chefkoch und Inhaber von Restaurant Calla's Marcel van der Kleijn davon, seine Kochkünste und Kreativität mit den Weinen des Weingutes Wirsching zu kombinieren. Der sagte ja und lud seine beiden bereits genannten Kochkollegen plus einen weiteren Küchenstar, nämlich Pascal Jalhaij, der Chefkoch der mit seinem Amsterdamer Restaurant ,,Vermeer'' zwei Sterne errang, zu sich ins Calla's nach Den Haag ein.
Das fränkische Weingut Wirsching schickte mehr als 20 Weine, Marcel van der Kleijn kreierte dazu ein Zehngänge-Menü. Folge: Die Creme de la Creme der niederländischen Gastronomie, die in dieser Zusammenstellung erstmals überhaupt im Restaurant Calla's zusammengekommen war, testete wie Langusten an Avocado-Parfait mit einem Wirsching-Weißburgunder, 2003, Spätlese trocken harmonieren und ob die klassischen rassigen fränkischen Wirsching-Silvaner, die rund um den Schwanberg bei Iphofen auf Gipskeuperböden gedeihen, zum Steinbutt-Filet passen. Das tun sie übrigens perfekt. Selbst Weinbau-Ingenieur Armin Huth, der für das Weingut Wirsching die Weine in Den Haag präsentierte, war von der positiven Resonanz der niederländischen Starköche auf die von ihm kredenzten Gewächse überrascht. ,,Wenn man bedenkt, dass hochwertige deutsche Weine in den Niederlanden nach wie vor so gut wie unbekannt sind, so könnte das nun endlich der Durchbruch sein.''
Armin Huth hat recht mit dieser Einschätzung. Deutsche Weine sind ,,in'' in Holland. Sogar die größte Tageszeitung der Niederlande, de Telegraaf, widmete dem kulinarischen Großereignis im Haager Sterne-Restaurant Calla's fast eine halbe Seite in der vielgelesenen Rubrik ,,Stan Huygens Jornaal.'' Titel: ,,Die Sterne-Show.'' Autor Jules Paradijs, inzwischen Chefradakteur des ,,Telegraaf,‘‘ sprach von einem ,,gedenkwürdigen Abend.'' Möglicherweise war es sogar ein historischer. Denn Niederländer können nun zumindest in der Spitzengastronomie des Oranjestaates endlich feststellen, dass Wein aus deutschen Landen nicht immer mit Liebfrauenmilch gleichzusetzen ist - und dass in Iphofen außer Knauf-Gips auch noch köstlicher Wein wächst und in den Kellern der Winzer ausgebaut wird. Aber außergewöhnlich ist der Wein vom Weingut Hans Wirsching, wo seit dem Jahr 1630 fränkische Weinkultur gepflegt und von Familie zu Familie weitergegeben wird. Wirsching-Weine sind mit das Feinste, was Franken zu bieten hat.
Der Belgier Alain Jacobs, der das Deutsche Weininstitut in den Niederlanden vertritt und jedes Jahr in der Amsterdam Arena, wo sonst Ajax Amsterdam Fußball spielt oder die Pop-Diva Madonna Konzerte gibt, eine Verkostungs-Gala des deutschen Weins organisiert, hat den neuen Trend hin zum deutschen Wein maßgeblich mit beeinflusst. ,,Deutscher Riesling ist absolut der Renner in den Niederlanden momentan. Aber auch die spritzigen und fruchtigen Rosé-Weine aus deutschen Landen sind gefragt wie nie zuvor. Deutscher Wein erlebt in Holland eine echte Renaissance,‘‘ sagt er im Gespräch mit HM HetzelMedia.

Riesling & Co - Die nächste große Weinprobe von deutschen Weinen in Amsterdam am 21.9.2009 in der Amsterdam Arena
Links:
www.wirsching.de
www.deutscheweine.de
www.duitsewijn.nl
www.restaurantcallas.nl
www.librije.com
www.hetzelmedia.com
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Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, 15. April 2009 um 00:32 Uhr
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Flämisch-französischer Koch-Krieg
Montag, 09. Februar 2009 um 00:21 Uhr
Helmut Hetzel

Hier wird im Gleichschritt gekocht
Skurriler flämisch-französischer Gourmet-Streit auf berühmtem flämischen Schloss Withof
Von HELMUT HETZEL
Antwerpen. Liebe geht durch den Magen – oder auch nicht. Zumindest nicht in der Küche des belgischen Spitzenrestaurants ,,Kasteel Withof.‘‘ Denn dort auf dem Territorium des idyllisch gelegenen Schloss-Restaurants im flämischen Brasschat, einer noblen flämischen Millionärsgemeinde, die zwischen Rotterdam im Norden und Antwerpen im Süden liegt und hauptsächlich von Millionären aus den Niederlanden bewohnt wird, hängt der Haussegen in der Küche derzeit mächtig schief, seit dort zwei französische Starköche als neue Chefs angetreten sind. Es sind dies auch noch Vater und Sohn. Vater Bernard und Sohn Mathieu Pacaud, Eigentümer des bekannten Pariser Drei-Sterne-Tempels ,,l´Ambroisie‘‘ die hier nun kochen bzw. ihre Küchenbrigade kochen lassen. Vor allem Sohn Mathieu Picaud (33) schwingt hier in Brasschaat in der Küche nun das Zepter mit eiserner Hand. Er pendelt zwischen Paris und Brasschaat regelmäßig hin und her, mit dem Ziel, um im noblen Kasteel Withof noch mehr Michelin-Sterne zusammen zu kochen. Denn bisher kann sich das Schloss-Restaurant Withof erst mit einem Stern des französischen Reifenfabrikanten schmücken. Den aber hat es nicht dem neuen französischen Chef Pacaud, sondern dessen flämischen Vorgänger Peter Cocquyt zu verdanken. Cocquyt aber hat das Kasteel Withof inzwischen fluchtartig verlassen. Seine überwiegend flämische Kochtruppe wurde von den neuen französischen Chefs gefeuert. Die neuen Pariser Chefs wiederum haben nun ausschließlich französisches Personal angeheuert, nur ein deutscher und ein flämischer Koch haben die ,,ethnische Säuberungsaktion in der Küche,‘‘ wie man das Vorgehen der beiden französischen Starköche bezeichnen könnte, überlebt. Bisher. Denn der 33jährige Mathieu Pacaud kommandiert seine neue französische Küchencrew wie ein Oberbefehlshaber seine Armee. Es gibt bei ihm einen General ,,moi‘‘ sagt er, einen Kapitän, das ist sein Sous Chef und dann das einfache ,,Fußvolk‘‘ wie er es nennt, das widerspruchslos zu gehorchen hat und die Befehle des Kochgenerals demütig ausführen muss. Mathieu Pacaud brach damit rigoros mit dem Führungsstil seines Vorgängers, des Flamen Peter Cocquyt. Der meint zu dem kulinarischen Stilbruch: ,,Nun, jeder Chef hat seinen eignen Führungsstil. Aber die Art und Weise wie Pacaud sein Personal führt und behandelt, die ist total veraltet und überholt. Bei mir wusste auch jeder in der Küche, wo sein Platz war und was er zu tun hatte. Niemand aber musste mich mit Chef anreden, Peter genügte.‘‘ ,,Es ist schon bizarr, dass das Kasteel Withof unter Leitung von Cocuyt einen so guten Ruf hatte, dass aber offenbar seine gesamte Küchenmannschaft den Normen von Pacaud nicht genügen konnte,‘‘ stellt die flämische Zeitung ,,Standaard‘‘ fest und bringt die Sache dann auf den Punkt: ,,Französischer Chefkoch ? - Flamen raus!‘‘ Bram Van Gool, ein erfolgreicher flämischer Koch, der es unter dem Generalston von Mathieu Pacaud auch nicht länger aushielt, bestätigt diese Sichtweise: ,,Pacaud übertreibt einfach. Unter seinem perfektionistischem Reglement konnte man einfach nicht kreativ arbeiten. Dass er kein geeignetes flämisches Personal finden kann, glaube ich ihm einfach nicht. Er will einfach nur mit Franzosen zusammen arbeiten,‘‘ meint Van Gool. Er hat sich inzwischen einige Kilometer südlich von Brasschaat in Antwerpen mit seinem Restaurant ,,De Goedevaart‘‘ selbständig gemacht. Der Newcomer ist der reisende Stern am so hell funkelnden kulinarischen Himmel Antwerpens. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, wenn ,,De Goedevaart‘‘ den ersten Michelin-Stern erhalten wird. Fraglich aber ist, ob es Mathieu Pacaud gelingen wird, im Kasteel Withof einen zweiten zu erkochen. Na ja, er ist Franzose, das kann helfen. Seine horrenden Preise aber vergällen inzwischen sogar das nicht gerade arme vor allem niederländische und flämische Publikum in und um Brasschaat und Antwerpen. Sein Degustations-Menü mit Foie gras, Seezunge, Lamm und einer feinen Schokoladentorte als Dessert kostet 120 Euro pro Person, ohne Wein. Das Überraschungsmenü ,,Prestige‘‘ 300 Euro pro Person, ohne Wein. Die Vorspeisenpreise liegen zwischen 35 und 60 Euro je Gericht, die Hauptspeisen zwischen 55 Euro und 160 Euro. Die Desserts kosten einheitlich alle 22 Euro – egal, ob man eine Schwarzwälder Kirschtorte oder kandierte Maronen mit fettarmer Sahne bestellt. Und sie werden in der Küche im Gleichschritt zubereitet.
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Zuletzt aktualisiert am Montag, 02. März 2009 um 21:48 Uhr
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