
Frieden, Recht und Sicherheit
Den Haag ist die Hauptstadt der internationalen Gerichtsbarkeit
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. Er lässt den Hinweis in keiner seiner Reden aus. Überall, wo der Haager Bürgermeister Jozias van Aartsen auftritt, weist er darauf hin und sagt: ,,Den Haag ist die Stadt des Friedens, des internationalen Rechts und der Sicherheit.‘‘ Der Haager Bürgermeister van Aartsen kann das mit Recht und mit Stolz sagen. Anlässlich des 60. Jubiläums der Erklärung der universalen Menschenrechte durch die UNO (10. Dezember 1948) aber ist dieser Hinweis heute aktueller denn je.

Denn Den Haag spielt in der Entwicklung und der Durchsetzung der Menschenrechte sowie des internationalen Völkerrechts eine wichtige Rolle. Hier, in der niederländischen Regierungsmetropole fanden 1893 und 1907 die ersten internationalen Friedenskonferenzen statt. Damals auf Initiative des russischen Zaren Nikolaus II.. Diese Haager Friedenskonferenzen, die als die Wiege der UNO gelten können, führten seinerzeit zur Gründung des ersten internationalen Völkerrechtsorgans - dem Internationalen Schiedsgericht. Es arbeitet und residiert seither in Den Haag. Es hat seinen Sitz heute im Haager Friedenspalast, dessen Grundstein im Jahr 1907 bei Abschluss der zweiten Haager Friedenkonferenz gelegt wurde. Der Friedenpalast, auf Niederländisch ,,Vreedespaleis,‘‘ beherbergt heute außerdem den 1946 gegründeten Internationalen Gerichtshof der UNO, den IGH, die Akademie für Internationales Recht und eine der größten Bibliotheken zum Völkerrecht in der Welt.

Zweite Haager Friendskonferenz 1907
Der IGH wurde nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Nachfolgeorganisation des Permanenten Hofes für Internationale Gerichtsbarkeit (1922-1946) des Völkerbundes, der Vorläuferorganisation der UNO.
Heute ist der IGH so etwas wie das oberste Weltgericht. Er ist allerdings nur für völkerrechtliche Konflikte zwischen Staaten zuständig, nicht für internationale Strafrechtsangelegenheiten gegen Individuen.
Über die richtet der ebenfalls in Den Haag ansässige Internationale Strafgerichtshof (IStGH) oder International Criminal Court (ICC) in Englisch. Er wurde am 17.7.1998 in Rom gegründet und nahm am 1. Juli 2002 seine Arbeit in Den Haag auf. Ihm gehören heute 106 Staaten an, nicht jedoch die USA. Sie erkennt den IStGH nicht an, weil die Amerikaner fürchten, dass sich dort dann eines Tages US-Soldaten verantworten müssten, falls ihnen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden sollten.
Der dritte wichtige internationale Gerichtshof, der in Den Haag beheimatet ist, das ist das UN-Tribunal zur Ahndung von Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien (ICTY). Dieses durch UN-Resolution 827 im Jahr 1993 ins Leben gerufene UN-Sondergericht ist allerdings nur für Kriegsverbrechen, die auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien begangen worden sind, zuständig. Prominentester Angeklagter dort ist derzeit Radovan Karadzic. Dem ehemaligen Präsidenten der Republik Srbska in Bosnien werden Völkermord und Kriegsverbrechen zur Last gelegt. Offiziell läuft das UN-Mandat des ICTY im Jahr 2010 ab. Es wird jedoch damit gerechnet, dass es verlängert wird, nicht zuletzt deshalb, weil der Karadzic-Prozess zu Ende geführt werden muss.
Es sind aber nicht nur die drei großen internationalen Gerichtshöfe, die der Stadt Den Haag den Status eine Metropole von Recht und Gerechtigkeit zu sein, geben und die Den Haag nach New York, Genf und Wien zum vierten wichtigen UNO-Standort machen.
In den vergangenen Jahren haben sich noch weitere einflussreiche internationale Organisationen innerhalb der Haager Stadtgrenzen niedergelassen. Dies sind die Fahndungsorganisation der Europäischen Union (EU) zur Verbrechensbekämpfung namens Europol, operativ seit 1. Juli 1999. Unterstützt wird Europol in seiner Arbeit durch die 2002 gegründete und ebenfalls in Den Haag beheimatete Eurojust, die die Kooperation der Staatsanwaltschaften in der EU koordiniert.
Eine weitere wichtige internationale Organisation in Den Haag ist die Chemiewaffenabrüstungskonferenz OPCW. Seit 1997 beschäftigt sich die OPCW mit der weltweiten und kontrollierten Vernichtung von chemischen Waffen. Ferner tagt in Den Haag seit 1982 das ,,Iran-USA Claims Tribunal.‘‘ Diese Schiedsstelle beschäftigt sich bis heute mit dem noch immer schwelenden Konflikt zwischen den USA und der Islamischen Republik Iran in Folge der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 durch iranische Revolutionsgarden.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) in den Niederlanden besonders stark ist und viele Mitglieder zählt. Ab dem heutigen Dienstag läuft in den Niederlanden die AI-Kampagne ,,Flammen der Freiheit‘‘ an. Sie ist insbesondere drei politisch Verfolgten gewidmet. Erstens Aung San Suu Kyi, der Oppositionspolitikerin, die in ihrem Heimatland Myanmar (Birma) noch immer unter Hausarrest steht, zweitens der Frauenorganisation Arise des vom Diktator Robert Mugabe geknechteten Volkes in Zimbabwe und, drittens, dem demokratischen iranischen Widerstand, der gegen die islamische Diktatur im Iran kämpft.
Kritik daran, dass die Menschenrechte und deren
universelle Gültigkeit sowie sie in der UN-Menschenrechtsdeklaration vor 60 Jahren festgelegt wurde, bei vielen Niederländern noch zu wenig bekannt und im Bewusstsein verankert ist, gibt es auch. ,,Die Geschichte der Menschenrechte wird an unseren Schulen noch viel zu wenig unterrichtet. In dieser Hinsicht haben die Niederlande noch einen Nachholbedarf,‘‘ meint Barbara Oomen, Professorin für Völkerrecht an der Roosevelt Academy in Middelburg. Dabei haben Niederländer die Völkerrechtsgeschichte der UNO in Den Haag zum Greifen nahe.

Der Storch - das Wappen von Den Haag

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