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Lifestyle


Shanghai Baby

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Shanghai  Trance

oder Shanghai  Baby?

Niederländischer Regisseur beugt sich der chinesischen Zensur

 


Von HELMUT HETZEL

Den Haag. Die Szenen sind harmlos.In  jedem freien Land können sie  gezeigt werden. Aber nicht in China. Etwa die: Ein Nachtclubbesitzer bittet eine junge Chinesin, ihr Oberteil zu lüften. Er will ihren Busen begutachten, um festzustellen, ob sie sich als Stripperin eignet. Sie tut es. Er guckt und stellt sie ein. Oder diese: Eine chinesische Familie beim Essen. Es gibt Fisch. Die Gräten,
die dabei unversehens im Mund landen, werden ausgespuckt. Nichts Besonderes. Fast überall in China macht man das so. Oder diese: Weitwinkelaufnahmen von den unendlichen Straßenschluchten zwischen den modernen Wolkenkratzern von Shanghai, dem chinesischen Manhattan, das in den vergangenen 20 Jahren aus dem Boden gestampft wurde.

Das sind drei Szenen aus dem Film: Shanghai Trance des jungen niederländischen Regisseurs David Verbeek. Er drehte den Film ausschließlich in Shanghai, der derzeit wohl aufregendsten Stadt auf der Erde. Shanghai ist hot, Shanghai ist ein Hotspot. Shanghai ist wieder ähnlich wie in den 20iger und 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts, nur nun ebeb postmodern und eine High-Tech-City.

Das weiß wohl auch die chinesische Zensur. Denn sie schickte dem niederländischen Regisseur, der Shanghai in seinem Film so darstellt, wie die Stadt heute ist, ein ellenlanges Fax mit darin unzähligen Zensurvorschriften. Sie alle müssen durchgeführt werden, sonst wird der Film in chinesischen Kinos nicht zu sehen sein, drohen die Pekinger Zensoren. Sogar die Szene in der zwei chinesische Jugendliche Flusskrebse mit einer Schere mundgerecht zusammenschneiden, um sie dann in den Wok zu werfen zu braten, sie muss raus aus dem Film, so lautet die ,,Final-Cut-‘‘ Zensuranweisung aus Peking. Gut, die Flusskrebse leben noch, als sie zerschnitten werden, aber auch das ist im Reich der Mitte nicht Ungewöhnliches, sie so zuzubereiten. Darüber würden sich in freien Ländern wahrscheinlich die Tierschützer zurecht empören. Aber niemand käme doch auf die Idee, zu fordern, dass eine solche Szene aus dem Film geschnitten werden müsse. Die Zensoren in Peking aber sehen das anders.
Zum Schluss ihrer harten Zensurvorschriften für eine Aufführung des niederländischen Films ,,Shanghai Trance‘‘ im Reich der Mitte, erdreisten sich die kommunistischen Zensurmachthaber auch noch, dem niederländischen Filmemacher vorzuschreiben, dass der Titel des Filmes geändert werden müsse. Nur dann hätte der Film überhaupt eine Chance in chinesische Kinos zu kommen. Aus ,,Shanghai Trance‘‘ müsse ,,Der Traum am Meer‘‘ werden.
Regisseur Verbeek ist geschockt, aber trotzdem nicht ganz unempfindlich für die chinesischen Zensurwünsche, die selten so knallhart und so öffentlich gegenüber einem westlichen Filmemacher geäußert worden sind. Denn Verbeek will, dass sein Shanghai-Film auch in den chinesischen Kinos gezeigt wird. ,,Ich weiß nicht, was ich machen sollen,‘‘ klagt der Filmemacher in der Zeitung ,,de Volkskrant.‘‘ Soll er eine zweite zensierte Fassung montieren, nur für den chinesischen Markt? Verbeek ist hin- und hergerissen. Der Zensur nachgeben, das wäre die Aufgabe der künstlerischen Freiheit. Nicht nachgeben, das wäre ein Akt der Verteidigung eben dieser Freiheit, hätte aber zur Folge, dass der Film in China nicht in die Kinos käme.
Es scheint so, als seien die kommunistischen Diktatoren und Zensoren in Peking nach den Vorfällen, die sich in Tibet ereigneten und den protibetanischen Demonstrationen während der Reise des Olympischen Feuers rund um die Erde hypernervös geworden. Die Olympischen Spiele scheinen der chinesischen Bevölkerung nicht mehr Freiheit, sondern eher mehr Repression zu bringen, das berichtet auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Doch außer diesem sportlichen Großereignis, das am 8.8.2008 in Peking starten soll, wirft wohl in Sachen des holländischen Shanghai-Films noch ein anderes Ereignis seine Schatten voraus. Es ist die Welt-Expo. Sie soll im Jahr 2010 nämlich in Shanghai stattfinden.
Also müssen Filme, die das wirkliche und pralle Leben in Shanghai zeigen, jetzt schon ,,geschönt‘‘ werden, scheinen sich die chinesischen Zensoren zu denken.
Für David Verbeek gibt's eigentlich nur eins. Der chinesischen Zensur nicht nachgeben. Dem Vorbild von Wei Hui (Shanghai Baby) folgen. Seinen Film auf DVD in China verbreiten, wo die Meister im Kopieren beheimatet wird. Sein Film wird im Reich der Mitte dann sicher im Untergrund so massenhaft verbreitet
werden wie der Roman ,,Shanghai Baby‘‘ von Wei Hui. Nachdem der nämlich in China öffentlich verbrannt worden und verboten worden war, kursierten im Nu Zehntausende von Fotokopien davon im ganzen Land. Es wurden immer mehr, die unter der Hand weiter gereicht wurden. Mit den DVD's von David Verbeek's Film Shanghai Trance würde es wohl nicht anders sein, wenn er standfest bleibt und sich den Zensurvorschriften der kommunistischen Besserwisser nicht beugt. Aber er hat es letzendlich doch getan.

Ironie der Geschichte. Die Inhalte des Romans ,,Shanghai Baby‘‘ und die des Films ,,Shanghai Trance‘‘ sind sich recht ähnlich. Sie habe eins gemein. Sie spiegeln die Wirklichkeit dieser faszinierenden 22 Millionen-Menschen-Metropole am Huang Pu-Fluss treffend wider. Jeder Film anders.

Es ist eine Wirklichkeit, die die chinesischen Zensoren nicht zeigen lassen wollen, weil sie ihnen nicht gefällt.

Aber Shanghai Baby ist die echte und und auch filmisch viel besser umgesetzte Version von Shanghai heute. Sie ist nämlich unzensiert.

 

 

Interview mit Bai Ling

 

 

15.4.2008

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Zuletzt aktualisiert am Freitag, 13. November 2009 um 21:40 Uhr
 

Neue Deutsche Welle erfasst Holland

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Drei Tage wach

Drei Tage wach - Da, da da - Skandal im Sperrbezirk:
Niederländer lassen die alte ,,Neue Deutsche Welle‘‘ wieder aufleben

Von HELMUT HETZEL

Den Haag. ,,Da, da, da,‘‘ oder: ,,Wir fahrn, fahrn, fahrn auf der Autobahn,‘‘ und: ,, Jeder, den die Sehnsucht quält, hat heute schon ihre Nummer gewählt - Skandal im Sperrbezirk - Skandal um Rosi....‘‘ Wer kennt sie noch die Hits der Neuen Deutschen Welle aus den 80igern? Die Holländer nicht. Die hatten damals ihre eigenen Kultbands.
Jetzt aber fahrn´ sie voll ab auf die ,,alte neue‘‘ Deutsche Welle und die neueste deutsche Welle, wie beispielsweise auf ,,Drei Tage wach,‘‘ von der deutschen Kultband ,,Lützenkirchen.‘‘

Aber die Niederländer hatten einst mit der Neuen Deutschen Welle, kurz NDW, einiges gemein: Auch sie hatten ihre ,,Neue Niederländische Welle.‘‘ Die Kultbands sangen alle in Niederländisch. Die absoluten Stars damals in Holland um im niederländisch-sprachigen Teil Belgiens, in Flandern, das waren ,,Doe Maar‘‘ (Mach Mal). Doe Maar sind bis heute Kult in den Niederlanden und in Flandern. Vor allem ihr unvergesslicher Hit ,,is dit alles?'' ist ein Klassiker. Dann war da noch ,,Het Goede Doel'' (Der gute Zweck) mit: ,,Belgie‘‘ (Belgien)  In dem Song geht es auf die Suche nach einem noch lebenswerten Platz auf der Erde oder im Weltall und  die Band findet Belgien als ,,the place to be,‘‘ der Ort, das Land, wo man es noch aushalten kann.
,,Doe Maar‘‘ ,, Het Goede Doel''  und ihre Super-Hits ,,Is dit alles..'' und  ,,Belgie‘‘ haben derzeit in den Niederlanden ein gigantisches Comeback. Aber als Musical.
Aber was hat das alles mit der Neuen Deutschen Welle von damals und deren bevorstehendem Comeback zu tun?

Ganz einfach: Da Doe Maar und das nun laufende Musical qua Sprache und Erfolg eben auf die Niederlande und Flandern beschränkt war, das Konzept für ein Musikal dieser Art aber vielversprechend und lukrativ ist, da dachten sich die cleveren niederländischen Medien-Manager einfach: Das vermarkten wir auch in Deutschland.
Aus ,,Doe Maar‘‘ werden in Deutschland Trio, Codo, Nena - und jetzt ,,Lützenkirchen.‘‘ Die gibt es aber noch nicht made in Holland. Und auch nicht im Musical über die Neue Deutsche Welle.

 


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Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 03. März 2009 um 21:58 Uhr
 

Die Leichtigkeit des Seins

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Der ,,Flieger'' von Auke de Vries in Berlin
Die erträgliche Leichtigkeit des Seins

Auke de Vries und seine Nester/Neue Ausstellung des niederländischen Bildhauers in Wiesbaden

Von HELMUT HETZEL

Den Haag. Seinen Traum vom Fliegen hat Auke de Vries nun endlich visualisiert. Denn der niederländische
Bildhauer konstruierte in den vergangenen Jahren scheinbar schwerlose Flugobjekte, die er liebevoll ,,meine Nester‘‘ nennt. Es sind frei im Raum schwebende Gebilde aus Stahl und anderen Materialien, große und kleine, aber immer irgendwie schräge, verwoben und verworren wirkende Objekte, die die erträgliche Leichtigkeit des Seins treffend symbolisieren. Das arrangierte Chaos eben - wie im echten Leben.
Diese erträgliche Leichtigkeit des Seins seiner vom ihm konstruierten schwebenden Nester, diese Leichtigkeit des Seins, die strahlt der in Den Haag lebendende und wirkende große niederländische Künstler Auke de Vries auch persönlich aus. Auf die Frage, warum er seine neuen schwebenden Kunstwerke Nester nennt, antwortet de Vries im Gespräch mit HM: ,,Nester werden intuitiv gebaut, ohne Konzept, ohne Kontrolle. Sie sind wie eine Wiege für das Leben.‘‘ Daher sind die Skulpturen von de Vries auch bewusst abstrakt. Sie appellieren an die Phantasie der Menschen, ihr Abstraktionsvermögen. ,,Ich will keine generelle Wiederholung irgendwelcher Fakten oder Abbildungen, kein konkretes Bild, ich will Imagination, Phantasie. Denn es ist nicht das konkrete Image, das Bild, sonder es ist die Imagination, die Vorstellungskraft des Menschen die die Phantasie des Betrachters anregt,‘‘ meint der Bildhauer. Seine neuesten Werke sind ab dem heutigen Samstag im Museum in der hübschen deutschen Kurstadt Wiesbaden zu sehen. Unter dem Titel: ,,Intervention, Nester‘‘ werden sie dort bis zum 17. Mai gezeigt. Zwei Jahre lang hat Auke de Vries an seinen Nestern, die nun erstmals in Wiesbaden zu sehen sein werden, gearbeitet.

Auke der Vries, der an der Königlichen Akademie für Bildende Künste in Den Haag studierte und Träger des Kulturpreises der Stadt Den Haag ist, die er mit vielen seiner Kunstwerke und Skulpturen bereicherte, stellt außer in seiner Heimat besonders häufig in Deutschland und in Spanien aus. In Deutschland verbindet ihn eine innige Beziehung zur Daimler Kunstsammlung, die auch eines seiner Flugobjekte erstanden und auf dem Dach des Daimler Service Centers in Berlin am Potsdamer Platz platziert hat. Dort oben schwebt es nun, das Objekt, das der Niederländer mit dem Titel: ,,Gelandet‘‘ versah. So sieht das zehn Meter hohe und 15 Meter breite ,,Raumschiff‘‘ von de Vries von unten aus betrachtet auch nämlich aus, wie ein Raumschiff oder, wenn man will ein Ufo, das gerade zur Erde zurückgekehrt ist, den nahe gelegenen Flughafen aber nicht mehr erreichen konnte und sich das Dach von Daimler am Potsdamer Platz als Landungsort aussuchte oder dort irgendwie hängen geblieben ist.
Seine ,,Nester,‘‘ die de Vries nun ein Wiesbaden zeigt, haben auch etwas vom Berliner ,,Raumschiff‘‘ - sie wirken genau so schwerelos als könnten sie jederzeit entschweben - fliegen eben, der Traum, den Auke de Vries Gestalt gibt - auf seine Art und Weise eben.


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Zuletzt aktualisiert am Freitag, 27. Februar 2009 um 17:33 Uhr
 

Sexy Sadie - Der Guru der Beatles

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,,Sexy Sadie‘‘ - Der Guru der Beatles ist tot

Maharishi Mahesh Yogi starb in den Niederlanden

Von HELMUT HETZEL

Den Haag. Vor einigen Tagen ließ er von einem Sprecher erklären: ,,Ich ziehe mich jetzt in die ewige Meditation zurück.‘‘ Das war am 28. Januar. Nun ist er tot. Maharishi Mahesh Yogi starb in seinem Ashram in den Niederlanden. Der Guru der Beatles und vieler anderer Pop-Größen wie Marianne Faithful, Donovan, Mick Jagger und den Beach Boys wurde wahrscheinlich 91 Jahre. Genau weiß man das nicht. Denn der indische Guru schwieg immer über sein Alter und über seine Zeit als Kind in seiner indischen Heimat, wo er nach unbestätigten Berichten am 12. Januar 1917 geboren worden sein soll. Geburtsname: Mahesh Srivastava oder Mahesh Prasad Varma.
Nach seinem Studium der Physik nannte er sich Maharishi, was in Hindu ,,der große Seher‘‘ bedeutet. 1955 begründete er die ,,Transzendentale Meditation‘‘ (TM). Weltberühmt wurde der ,,Große Seher‘‘ 1968 als die Beatles zu ihm nach Indien reisten, um mit ihm zu meditieren und sich von ihm inspirieren zu lassen. Das blieb nicht folgenlos. George Harrison ließ sich zu seinem Klassiker ,,Here comes the sun‘‘ inspirieren. Aber John Lennon war sauer auf den Guru. Er schrieb damals den Song ,,Sexy Sadie (gemeint war damit Maharishi) what have you done? You made a fool of everyone.‘‘
Warum Lennon dieses kritische Lied über den indischen Guru geschrieben hat, darüber gibt es viele Spekulationen. Die eine: Maharishi Mahesh Yogi soll die Beatles wegen ihres Drogenkonsums scharf kritisiert haben. Die andere. Er konnte seine Hände nicht von den vielen hübschen Groupies, Sängerinnen und Schauspielerinnen, darunter auch Mia Farrow, lassen, die im Kielsog mit den Beatles damals bei ihm in seinem indischen Ahsram arrivierten.

Berühmt geworden durch die Visite der Beatles nutze der indische Guru und Vordenker der transzendentalen Meditation (TM) die Gunst der Stunde. Er baute in den 70iger Jahren sein Meditationszentrum TM zu einem blühenden Unternehmen aus. Nun kamen auch Manager und Filmstars aus Hollywood zu ihm und zahlten viel Geld dafür, um sich von dem ,,Großen Seher‘‘ erleuchten und inspirieren zu lassen. Auch Clint Eastwood machte beim Maharishi Mahesh Yogi seine Aufwartung.
Sein Meditations-Imperium, die TM-Bewegung, wuchs rasend schnell. Es soll heute etwa 80 Millionen Menschen auf der ganzen Welt umfassen, die Yogi-Jünger sind und an sein Credo glauben, das da lautet: ,,Erfolg entsteht erst durch Glück. Strebe immer und nur nach Glück.‘‘

Sein eigenes Glück suchte der indische Star-Guru seit 1990 in den Niederlanden. In Vlodrop, nicht weit von Maastricht, kaufte er ein altes Franziskaner-Kloster samt Landgut auf dem es steht. Er taufte es auf ,,Global Country of World Peace.‘‘ Es wurde der Hauptsitz der TM-Bewegung. Vor hier aus sandte der Guru seine Video-Botschaften zuletzt per Internet rund um den Globus an seine Jünger.
Auf dem Landgut mit Ashram und der Vedic Universität in den Niederlanden wohnen und arbeiten etwa 500 TM-Anhänger. Der geschäftstüchtige Guru führte dort sogar seine eigene Währung ein - den Raam. Ein Raam entspricht 10 Euro. Die belgisch-niederländische Fortis Bank garantiert den Wechselkurs. In den USA, genauer in Fairfield, Iowa und in Lelystadt, Niederlande, wurden zwei Maharishi Universitäten gebaut.
Sein Nachfolger soll angeblich Maharaja Nader Raam sein. Es soll das transzendentale Meditationszentrum im Sinne des jetzt verstorbenen Meisters weiterführen.

6.2.2008


/ Textende / Copyright © by HELMUT HETZEL / Den Haag /

Zuletzt aktualisiert am Samstag, 28. Februar 2009 um 17:59 Uhr
 

,,Operation 1012‘‘ – Facelift oder Kahlschlag für den berühmten Amsterdamer Rotlichtbezirk?

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amsterdam RotlichtbezirkVon HELMUT HETZEL

Amsterdam. Mariska Majoor ist auf die ,,Moralapostel‘‘ im Amsterdamer Stadtrat nicht gut zu sprechen. Insbesondere Bürgermeister Job Cohen und Stadtrat Lodewijk Asscher rangieren auf der Sympathieskala der einstigen Prostituierten ganz unten. Mariska Majoor ist zwar längst ausgestiegen aus dem Job, in dem sie einst ihren Körper verkaufte. Aber sie verdient ihr Geld noch immer im Milieu. Nur bietet sie heute keinen Sex mehr an.

Heute betreibt die jetzt 39jährige im Amsterdamer Rotlichtbezirk das ,,Prostitutie Informatie Centrum‘‘ (Informationszentrum zur Prostitution). Das wird auf Niederländisch kurz Pic genannt. Die Abkürzung ist ein schönes Sprachspiel weil es  in der niederländischen Sprache, wenn als Pik geschrieben, aber genauso ausgesprochen wie Pic, auch eine Bezeichnung für den männlichen Penis sein kann. Mariska ist also eine gute Marketing-Managerin und sensible Sprachschöpferin.

Sie ist empört. Der Grund dafür: Die beiden Amsterdamer Politiker sind es, die die neben dem Rijks- und dem van Gogh-Museum wohl berühmteste Touristen-Attraktion Amsterdams nach Meinung von Majoor zerstören wollen. Denn die beiden Politiker wollen den im Volksmund  ,,Wallen,‘‘ genannten weltberühmten Amsterdamer Rotlicht- und Vergnügungsbezirk zwischen Hauptbahnhof und dem Zeedijk im Norden, dem Dam-Platz im Süden und dem Oudezijds Voorburgwal und China-Town im Osten völlig neu gestalten. Mit harter Hand, rigoros.

Sanieren nennen die Politiker das. Ein Kahlschlag ist es, der dieses intakte Stadtviertel, wo neben dem Metzger- oder Tante-Emma-Laden, die Huren hinter rotbeleuchten Schaufenstern stehen, völlig verändern könnte. Hier, wo im direkt neben den vielen Bordellen gelegenen China-Town köstliche Dim-Sum-Spezialitäten und knusprige Peking-Ente serviert wird. Hier pulsiert das pralle Leben. Genuss in jeder Form ist angesagt.

Es gibt aber auch Stätten der Kontemplation, der Ruhe, der Besinnung in diesem Viertel. Ein buddhistischer Tempel und die ältesten christlichen Kirchen der niederländischen Hauptstadt befinden sich hier ,,op de wallen,‘‘ wie die Amsterdamer ihren ältesten Stadtteil nennen.

Auch sie werden rege besucht. Auch das gehört zum Amsterdamer Rotlicht-Bezirk.

Hier ,,op de wallen,‘‘ liegt die Wiege Amsterdams. Hier ist die Stadt entstanden. Hier gibt es seit mehr als 400 Jahren die käufliche Liebe. Denn hier war einst der Hafen der Stadt. Ein Hafen, von dem aus die riesigen Schiffe der Vereinigten Ostindischen Compangie (VOC) im 17. Jahrhundert, dem Goldenen Zeitalter Amsterdams, in alle Welt aufbrachen und die fernen Ziele in Indonesien, China, in Korea und Japan oder in Südafrika und später auch auf dem amerikanischen Kontinent ansteuerten. Von hier aus wurden Städte, die heute New York, Jakarta oder Kapstadt heißen, gegründet.

Nicht nur Mariska Majoor, viele Amsterdamer und viele Niederländer fragen sich: Was soll die angestrebte Sanierung des Rotlichtbezirks?

Wird sie wirklich ein Facelift für das Viertel oder gerät sie zum Kahlschlag und wird dieser pulsierende und wohl aufregendste Stadtteil Amsterdams so zu Tode saniert, dass er bald so langweilig sein wird wie der Nürburgring, wenn dort keine Auto-Rennen mehr stattfinden.

,,Amsterdam, das Herz Amsterdams droht abzusterben, wenn diese Pläne realisiert werden,‘‘ warnt schon die in Holland populärste Internet-Website ,,Geen Stijl.‘‘  Die Hurengewerkschaft ,,De Rode Draad‘‘  fürchtet, dass sich die Prostitution dann über die ganze Stadt Amsterdam ausbreiten wird, wenn die Pläne von Bürgermeister Cohen tatsächlich Realität werden sollten.

Diese Sanierungspläne sind von Bürgermeister Rob Cohen und Lodewijk Asscher nun vorgestellt werden. Sie firmieren unter dem Titel: ,,Strategieplan 1012.‘‘  Werden sie im Stadtrat angenommen, dann kann die ,,Operation 1012‘‘ beginnen. Sie heißt ,,Operation 1012,‘‘ weil der Rotlichtbezirk Amsterdams im Postleitzahlengebiet 1012 liegt.

Denn das berühmt-berüchtigte Viertel, das jährlich Millionen Besucher aus aller Welt wie ein Magnet anzieht, weil hier hinter den rotbeleuchtenden Fenstern attraktive Damen aus dem ältesten Gewerbe ihre sexuellen Dienstleistungen zum Einstiegspreis von 50 Euro anbieten, ist dem Bürgermeister und dem für das Stadtviertel zuständigen Stadtrat Asscher ein Dorn im Auge.

Sie haben den Zuhältern, den Huren, Frauenhändlern, den Spielern, den Geldwäschern, Dealern aber auch den ganz normalen Leuten und Kneipiers, die hier wohnen, den Kampf angesagt, weil sie den ,,kriminellen Sumpf‘‘ im Redlight District endlich austrocken wollen, wie sie sagen. Die Politiker behaupten. Der Drogen- und Frauenhandel und das Weißwaschen von Drogengeldern habe auf ,,den Wallen‘‘ überhand genommen. Es bestehe daher Handlungsbedarf.

In Zahlen ausgedrückt bedeutet die Operation 1012: Die Hälfte der derzeit 482 rotbeleuchtenden Bordell-Fenster mit den Damen dahinter, soll verschwinden. Viele Bordelle, Sex-Shops, Coffee-Shops, Spielhallen und Kneipen sollen geschlossen werden. Sogar das in aller Welt bekannte Erotik-Theater Casa Rosso. Auch die Straßen rund um den ,,Oudekerksplein,‘‘ wo sich das Pic von Mariska Majoor befindet, sollen nach den Plänen der beiden Lokalpolitiker Cohen und Asscher ,,gesäubert‘‘ werden.

,,Wenn ich künftig vom Hauptbahnhof zum Oudekerksplein laufe, dann will ich dort einen guten Espresso trinken können,‘‘ sagt Stadtrat Lodewijk Asscher und formuliert damit, wie er sich den Stadtteil mit der berühmten Postleitzahl 1012 künftig vorstellt – als ein großes Kaffeehaus.

Nur, ob für einen Espresso am Oudekerksplein in Amsterdam die Touristen aus Tokio, Toronto, New York, London, Wien, Stuttgart, Köln oder Mailand dann noch nach Amsterdam reisen, das ist die große Frage. Viele Amsterdamer fürchten den totalen Kahlschlag im historischen Rotlichtbezirk, hier überall nur Red Light District genannt:

,,Es ist ein hinterhältiges politisches Spielchen, was hier gespielt wird. Die Politiker missbrauchen unser Stadtviertel für ihre eigene Marketingstrategie, um sie öffentlich profilieren zu können. Dass das auch noch Politiker meiner Partei sind, der ich schon 30 Jahre angehöre, das tut mir besonders weh,‘‘ ärgert sich Rob van Hulst. Er ist nicht nur seit 30 Jahren Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiterpartei PvdA, der auch der Bürgermeister Cohen und der Stadtrat Asscher angehören, nein Rob van Hulst ist auch einer der besten Kenner des Amsterdamer Red Light Districts. Zahlreiche Bücher hat er darüber geschrieben. Unzählige Touristen aus aller Welt hat er als kundiger Fremdenführer durch die sündige Meile und schmalen Erotik-Stege Amsterdams gelotst. Er kennt sich hier aus wie kaum ein anderer. Er ist hier zu Hause. ,,Die Pläne der Stadt sind völlig kontraproduktiv. Zum einen werden hunderte von Prostituierten durch die Schließung der Bordell-Fester einfach verjagt. Sie werden dann anderswo in der Stadt arbeiten. Aber hier auf den ,,Wallen,‘‘ hier haben sie hygienische Arbeitsbedingungen. Hier sind sie auch sicher. Es gibt wohl keine andere Gegend in der Stadt, wo man so sicher ist, wie hier im Rotlichtbezirk. Überall hängen Überwachungskameras. Ständig patrouilliert die Polizei. Sie kann jederzeit überprüfen, ob die Damen hinter den Fenstern volljährig sind oder nicht. Sind sie aber erst einmal weg, dann geht das nicht mehr,‘‘ gibt der Rotlicht-Experte zu bedenken. ,,Dann tauchen sie ab in die Illegalität und sind viel leichter eine Beute für Zuhälter als jetzt hier auf den Wallen.‘‘

,,Amsterdam huilt‘‘ Amsterdam weint. Unter diesem Motto demonstrierten schon Tausende gegen die Kahlschlag-Pläne mit dem der Stadtrat den Rotlichtbezirk nach eigenen Angaben ,,sanieren‘‘ will. Unter den Demonstranten sind: Huren, Künstler, Taxifahrer, Unternehmer, Restaurantpersonal, alle eben, die in diesem kuriosen und aufregenden Viertel wohnen und die hier ihr Geld verdienen. ,,Sie schneiden den Diamanten aus dem Herzen unserer Stadt,‘‘ meint Wim Boef. Boef betreibt ,,einige Fenster‘‘ wie er sagt, die er an die Damen aus dem Gewerbe vermietet.

Boef erzählt, dass die Stadt Amsterdam den Paten des Rotlichtbezirks Charles Geerts ,,ausgekauft‘‘ hat, nachdem sie ihm drohte, ihm seine Miet-Lizenz für seine Bordell-Fenster und seine Bars zu entziehen. Charles Geerts, ,,Dikke Charly‘‘ wie er im Milieu genannt wurde, verkaufte daraufhin sein Sex-Imperium für sage und schreibe 25 Millionen Euro an die Stadt Amsterdam, die den Ankauf seiner Häuser im Redlight District mit Steuergeldern finanzierte.

Nachdem die Stadt das Sex-Imperium des ,,Dikke Charly‘‘ erworben hatte, schloss sie in den vergangenen Wochen bereits rund ein Viertel aller Rotlichtfenster. Nun mit der zweiten ,,Sanierungsoffensive,‘‘ der ,,Operation 1012‘‘ sollen erneut mehr als 100 Fenster geschlossen werden.

Wim Boef aber auch Mariska Majoor und Rob van Hulst meinen: ,,Es ist genug. Es reicht. ,,Wat is Amsterdam nou zonder de Wallen? Het is over en uit, ja het doek is gevallen,’’ - Was ist Amsterdam ohne seine ,,Wallen?’’ Es ist aus und vorbei, ja, das Tuch ist gefallen -.

Noch nicht ganz. Operation 1012 ist noch nicht angelaufen. Aber der Amsterdamer Bürgermeister Cohen und sein Stadtrat Asscher sind dabei, eine der touristischen Top-Attraktionen der niederländischen Hauptstadt zu ruinieren. Denn Amsterdam ohne die ,,Wallen,‘‘ das wäre wie Hamburg ohne St. Pauli und ohne Reeperbahn. Einfach undenkbar.



/ Textende / Copyright © by HELMUT HETZEL / Den Haag /

Zuletzt aktualisiert am Samstag, 28. Februar 2009 um 18:55 Uhr
 


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